KPU – umstrittene Stoffwechselstörung
Was ist KPU?
Als Kryptopyrrolurie (KPU) oder Hämopyrollaktamurie (HPU) wird eine Störung des Entgiftungssystems bezeichnet, die mit einem Nährstoffverlust einhergeht. Bei dieser Stoffwechselstörung scheidet das Pferd sogenannte Kryptopyrrole über den Urin aus.
Mit den Kryptopyrrolen werden aber auch Spurenelemente und Vitamin B6 ausgeschwemmt, was zu Mangelerscheinungen führt. Dadurch wird der gesamte Organismus des Pferdes geschwächt, sodass das Tier anfällig für Folgeerkrankungen wird.
Ist KPU eine Krankheit oder nicht?
In der Veterinärmedizin ist die KPU als Krankheit umstritten. Das Krankheitsbild wird von der Schulmedizin nicht anerkannt, da es noch keine wissenschaftlichen Studien dazu gibt.
Ohne Zweifel gibt es aber bei gut versorgten Pferden Symptome, die auf einen Mangel an Spurenelementen und an Vitamin B6 zurückzuführen sind und die Pferde stark beeinträchtigen können. Ob man die Beschwerden des Pferdes nun als KPU bezeichnet oder nicht: Die Ursachen sollten jedenfalls abgeklärt werden!
Von einer genetischen Veranlagung des Pferdes für KPU ist man mittlerweile abgekommen. Kryptopyrrolurie gilt heute als fütterungs- und haltungsbedingte Stoffwechselstörung, die mit entsprechenden Maßnahmen und unterstützender Therapie heilbar ist.
Was sind Kryptopyrrole?
Kryptopyrrole sind eine Abart der Pyrrole – Bausteine des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin, die als Abbauprodukt des Eiweißstoffwechsels entstehen. Pyrrole sind in hoher Anzahl schädlich, in geringen Mengen bereiten sie dem gesunden Pferdeorganismus aber keine Probleme: Die Schadstoffe und Toxine (giftige Substanzen) werden über die Gallenflüssigkeit zerlegt und mit dem Kot ausgeschieden.
Eine wichtige Rolle spielen dabei bestimmte Enzyme und das im Pferdedarm erzeugte P5P (Pyridoxal5-Phosphat), eine Vorstufe von Vitamin B6. Steht nicht genügend aktiviertes Vitamin B6 zur Verfügung, gerät der Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht: Fette, Kohlenhydrate und Eiweiße werden nicht mehr richtig verwertet. Weiters stützt P5P die Leberfunktion bei entgiftenden Prozessen. Ein gesundes Darmmilieu ist demnach Voraussetzung dafür, dass der Körper Schadstoffe zerlegen, binden und abtransportieren kann.
Bei Störungen der Darmflora sowie der Enzymtätigkeit und einem damit verbundenen Mangel an aktivem P5P kommt es zur erhöhten Konzentration von Pyrrolen im Organismus. Es entstehen anders geformte Pyrrolmoleküle – Kryptopyrrole („versteckte“ Pyrrole), die nicht auf dieselbe Art wie Pyrrole abgebaut werden können. Der Stoffwechsel verläuft in diesem Fall über einen Umweg. In der Leber werden die schädlichen Abbauprodukte an Spurenelemente gekoppelt – vorwiegend an Zink, Selen, Schwefel und Mangan –, damit sie über die Niere ausgeschieden werden können.
Bei erkrankten Pferden kann ein erhöhter Kryptopyrrol-Spiegel im Urin nachgewiesen werden, zugleich liegt ein Mangel an jenen Spurenelementen vor, die mit dem Harn ausgeschwemmt werden.
Mangel an Spurenelementen: Was kann passieren?
Spurenelemente sind an vielen Stoffwechselvorgängen beteiligt. Durch einen Mangel kommt es mittel- bis langfristig zu Symptomen, die das Pferd schwer belasten können.
Zinkmangel führt zur Schwächung des Immunsystems. Das Pferd wird anfälliger für Infekte und allergische Reaktionen wie z. B. Sommerekzem.
Selenmangel äußert sich in Müdigkeit und Leistungsabfall, steifer Muskulatur, bei manchen Pferden auch in Haarausfall.
Schwefelmangel ist eine häufige Ursache für Haut-, Haar- und Hufprobleme, kann aber auch zu Atemwegsproblemen wie Reizhusten führen.
Achtung: Schwefelmangel wird im Blutbild nicht bestimmt!
Ein Mangel an Mangan kommt sehr selten vor, da die Substanz im Grünfutter ausreichend vorhanden ist.
Welche Symptome können ein Hinweis auf KPU sein?
KPU betrifft den ganzen Organismus des Pferdes, daher sind die Symptome vielfältig und müssen oft unabhängig vom Krankheitsbild KPU behandelt werden. Folgende Symptome und Beschwerden deuten auf eine KPU hin:
- Auftreten von Warnsignalen für Leber- und Nierenüberlastung
- Hautprobleme wie Sommerekzem, Mauke oder Raspe
- Hufprobleme wie Strahlfäule, mangelnde Hornqualität oder hohle Wand
- Verdauungsstörungen wie Koliken, Kotwasser und Durchfall
- Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates wie unklare Lahmheiten, Muskelverspannungen, Anfälligkeit für Sehnen- und Bänderschäden, Bildung von Überbeinen
- neurologische Krankheitsbilder wie Ataxien oder Shivering
- Stoffwechselstörungen wie EMS, Cushing, Insulinresistenz und Anfälligkeit für Hufrehe
- Atemwegserkrankungen wie COPD oder Reizhusten („Heustauballergie“)
- Immunschwäche, die sich in Allergien, Medikamentenunverträglichkeit und Infektanfälligkeit zeigt.
Wie wird KPU diagnostiziert?
Urintest: Mit einem KPU-Test kann der Kryptopyrrol-Wert in einer Urinprobe des Pferdes festgestellt werden.Tipp: Mit ein bisschen Geduld kann der Pferdebesitzer selbst eine Urinprobe seines Pferdes nehmen. Einfach warten, bis das Pferd Harn absetzt!
Ab einem bestimmten Grenzwert kann angenommen werden, dass das Pferd an KPU leidet. Der Wert ist umso höher, je länger die Erkrankung bereits besteht. Achtung: KPU-Tests werden nur von wenigen Laboren angeboten!
Der Kryptopyrrol-Wert allein ist allerdings nicht aussagekräftig, da er von Pferd zu Pferd und auch jahreszeitlich stark schwanken kann. Er sollte immer in Relation zum Indikan-Wert des Pferdes beurteilt werden. Indikan ist ein Marker für eine Dysbiose (bakterielles Ungleichgewicht) im Darm und ebenfalls im Urin nachweisbar. Ein Indikan-Wert von 0 wäre optimal, 4 ist ein Indikator für starke Störungen der Darmflora, Fehlgärungen und Fäulnisprozesse.
Blutbild: Weitere Hinweise auf das Vorliegen einer KPU kann ein großes Blutbild liefern. Die Parameter müssen dabei nicht alle auffällig sein. Niedrige Werte bei Zink und Selen sowie erhöhte Leberwerte deuten jedoch auf eine KPU hin.
Achtung: Eine Woche vor der Abnahme der Urin- bzw. Blutprobe müssen Zusatzfuttermittel, die Vitamin B6 oder Zink enthalten, abgesetzt werden, um die Werte nicht zu verfälschen!
Wodurch entsteht eine Entgiftungsstörung?
Übergewicht, Fütterungsfehler, Überschuss an leicht verdaulichen Kohlehydraten, Umweltbelastungen wie Schimmelpilze etc., Bewegungsmangel, Stress und Schmerzen können die natürlichen Regulationsmechanismen des Organismus überfordern. Neben EMS und PSSM kann auch der Symptomkomplex KPU die Folge sein.
Fütterung
Das Futter unserer Pferde enthält häufig zu viel Zucker. Nicht nur im Kraftfutter sorgt Zucker für bessere Akzeptanz, auch im Heu ist der Zuckeranteil in den letzten Jahren gestiegen. Grund dafür ist die Ausbreitung von zuckerhaltigen Hochleistungsgräsern, die von den Pferden sehr gern gefressen werden. Zu viel Zucker in der Ration belastet den Stoffwechsel!
Futtermittel wie Heulage und Silage werden durch Milchsäuregärung hergestellt. Große Mengen von Milchsäurebakterien führen zu Imbalancen in der bakteriellen Besiedelung des Verdauungsapparates und verändern die Darmflora. Damit werden die P5P-bildenden Mikroorganismen im Darm gefährdet, d. h. der Darm kann P5P bzw. aktiviertes Vitamin B6 nicht mehr in ausreichender Menge herstellen.
Schadstoffe aus der Umwelt
Schimmelpilze, Insektizide, Lösungsmittel in Holzschutzfarben und mangelnde Stallhygiene können die Entwicklung einer KPU-Symptomatik begünstigen.
Stress
Eine schlecht harmonierende Gruppe, ein Stallwechsel, ein Aufenthalt auf einer neuen Sommerweide … All das bedeutet länger andauernden Stress für das Pferd. Dauerstress führt zur Mehrbelastung und schließlich zu Störungen des Stoffwechsels.
Achtung: Manche Pferde versuchen den Stresslevel durch ständiges Fressen abzubauen – Kauen beruhigt! Bei Dauerfressern empfiehlt sich die Fütterung von magerem Heu und regelmäßige Gewichtskontrollen!
Wie kann KPU behandelt werden?
Kurzfristig richtet sich die Therapie nach den individuellen Symptomen des betroffenen Pferdes. Bei der Behandlung sollte KPU als mögliche Ursache allerdings mitberücksichtigt werden!
Für eine nachhaltige Besserung bzw. Heilung der KPU steht die Optimierung der Haltungsbedingungen und der Fütterung des Pferdes an erster Stelle. Da die Ursache der KPU in einer Störung der Darmflora zu suchen ist, muss die Therapie darauf abzielen, den Aufbau eines gesunden Darmmilieus zu unterstützen. Mit entsprechenden Anpassungen der Ernährung und der Haltung des Pferdes sowie mit unterstützender Therapie heilt KPU problemlos aus.
Vorsicht bei der Gabe von Medikamenten!
Die Wirkung von Medikamenten, die über das Futter verabreicht oder oral eingegeben werden, kann bei Pferden mit KPU ganz anders ausfallen als erwartet. Medikamente können durch den gehemmten Abbau länger oder erheblich schwächer wirken, in manchen Fällen auch gar nicht. Bei anderen Pferden können schon geringe Dosierungen schwere Nebenwirkungen auslösen.
Tipp: Die Gabe von Medikamenten immer vorab mit dem Tierarzt besprechen!
Was ist bei der Haltung eines Pferdes mit KPU zu beachten?
Um den Organismus des Pferdes zu entlasten, sollte auf eine möglichst saubere Umgebung geachtet werden. Gründliches Ausmisten und ausreichend Frischluft steigern das Wohlbefinden des Pferdes im Stall!
Tipp: Das Besprühen von Stallboden und Einstreu mit effektiven Mikroorganismen kann zur Verbesserung des Stallklimas beitragen.
Belastungen durch chemische Schadstoffe in der Umgebung vermeiden
Insektizidhaltige Fliegensprays, chemische Keulen gegen Milbenbefall etc. können den Zustand des Pferdes verschlechtern. Holzschutzfarbe und Reinigungsmittel immer auf ihre Zusammensetzung kontrollieren!
Stall, Futter und Einstreu müssen regelmäßig auf Schimmelbefall kontrolliert werden, da Pferde mit KPU besonders stark auf Schimmelpilze reagieren.
Wie soll ein Pferd mit KPU gefüttert werden?
Für den Aufbau einer gesunden Darmflora ist gutes, staubfreies, mageres Heu vom ersten Schnitt die Basis der Ration. Wenn die Fütterung von Kraftfutter notwendig ist, sollte das Pferd nur Produkte bekommen, die frei von Melasse und Zucker sind, um den Stoffwechsel zu entlasten.
Tipp: Zuckerhaltige Leckerlis kann man gut durch getrocknete Hagebutten ersetzen. Hagebutten schmecken den meisten Pferden! Außerdem enthalten sie sehr viel Vitamin C und bringen das Immunsystem auf Trab!
Stark pektinhaltige Futtermittel wie Karotten und Äpfel sind so lange verboten, bis sich die Darmflora stabilisiert hat, was bis zu zwei Jahren dauern kann!
Achtung: Silage und Heulage dürfen nicht gefüttert werden! Auch auf Bierhefe sollte man besser verzichten!
Ist die Zufütterung von Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen bei KPU sinnvoll?
Die wichtigen Mikronährstoffe, die dem Pferd mit KPU fehlen, können durch die Gabe eines hochwertigen Mineralstofffutters ergänzt werden.
Aber Achtung: Diese Maßnahme ist für sich allein nicht ausreichend, sondern soll die Therapie der KPU begleiten. Bei regelmäßiger Zufütterung lässt sich bei Kontrollen zwar ein Anstieg der Zink- und Selen-Werte im Blutbild beobachten, die jedoch bald wieder absinken, wenn man die Futtersupplemente absetzt.
Erste Erfolge stellen sich erst nach einigen Monaten bis zu einem Jahr ein.
KPU-Verdacht: Womit kann ich mein Pferd unterstützen?
Eine Zufütterung von Kräutern kann zur Verbesserung der Darmflora beitragen:
- Eibisch beruhigt die gereizte Darmschleimhaut und trägt zur Regeneration bei.
- Eichenrinde wirkt zusammenziehend und entzündungshemmend.
- Himbeerblätter sind reich an Vitaminen und Mineralstoffen und haben eine entspannende Wirkung auf die Muskulatur.
- Schafgarbe enthält Bitterstoffe, welche die Produktion von Gallensaft anregen und die Entgiftung unterstützen.
Manche Tierärzte empfehlen die Gabe von Süßholzwurzeltee, der entzündungshemmende und schleimhautschützende Eigenschaften hat.
Spirulina-Algen unterstützen die Entgiftung des Organismus und können für ca. sechs Wochen zugefüttert werden. Tipp: Manche Pferde sind gegenüber Algen im Futter etwas skeptisch. Die Dosis langsam steigern!
Die Nierenfunktion kann mit Kräutern wie Brennnessel, Löwenzahn, Goldrute oder Birke gefördert werden.
Die Fütterung von Mariendistelpräparaten, mit denen die Leberfunktion unterstützt werden kann, ist bei KPU teilweise umstritten. Die Mariendistel regt die Lebertätigkeit stark an, sodass es anfangs zu einer Überreaktion, und damit zu einer Verschlechterung der Symptome kommen kann. Zuerst sollte immer der Aufbau der Darmflora im Vordergrund stehen. Bei einer Verbesserung der Symptome kann man anschließend durch langsames Zufüttern von Bitterkräutern wie Mariendistel oder Artischocke auch die Regeneration der Leber weiter unterstützten.
Quellen
- Christina Fritz, Pferde fit füttern, 6. Aufl., München 2020
- Christina Fritz, Souel Maleh: Zivilisationskrankheiten des Pferdes. Ganzheitliche Behandlung chronischer Krankheiten, Thieme, Stuttgart/New York 2. Aufl. 2016
- Patricia Wanas: KPU (Kryptopyrrolurie)
- DR. MED.VET. ANDREA WÜSTENHAGEN: FÜTTERUNG UND MANAGEMENT BEI STOFFWECHSELERKRANKUNGEN BEIM PFERD – BERICHT AUS DEM PRAXISALLTAG
Bei unseren Produkten handelt es sich um keine Arzneimittel. Diese dienen daher nicht der Behandlung krankhafter Zustände oder damit einhergehender Symptome. Futtermittel sowie Pflegeprodukte dienen ausschließlich der Unterstützung und Pflege deines gesunden Pferdes. Für die Behandlung einer Erkrankung oder sonstiger Therapieempfehlungen ist ausschließlich dein Tierarzt oder Tierheilpraktiker zuständig.