24h-Weidehaltung Pferd - je mehr, desto besser?
Welcher Pferdemensch träumt nicht davon, sein Pferd ganz in die Freiheit der Sommerweide zu entlassen? Grünes Gras, so weit das Auge reicht, freie Bewegung, natürliches Herdenleben – das klingt nach Urlaub für das Pferd und absolutem Pferdeglück. Doch wie artgerecht ist die 24h-Weide wirklich noch für unsere Pferde? Kann ein Pferd von Weide allein überhaupt leben? Wo es Probleme geben kann und was du berücksichtigen solltest, bevor du dich für die 24h-Weidehaltung entscheidest, liest du hier.
Was ist 24h-Weidehaltung?
24h-Weidehaltung bedeutet, dass das Pferd Tag und Nacht auf der Weide verbringt und sich hauptsächlich von Grünfutter ernährt. Damit haben seine Vorfahren seit Urzeiten bestens überlebt. So gesehen könnte man meinen, dass 24-stündiger Weidegang das Optimum in der Pferdehaltung darstellt, wenn man nur genügend Fläche zur Verfügung hat. Nehmen wir an, die grüne Wiese, die man vom Landwirt pachten konnte, wäre groß genug. Dann wäre man als Pferdehalter zumindest die Weideperiode über entlastet. Gibt es auch noch eine Wasserstelle auf der Weide, müsste es ja ausreichend sein, ab und zu einmal vorbeizuschauen. Die Pferde hätten ohnehin Gras im Überfluss, und das Füttern und Stallausmisten und alle Arbeiten drumherum würden entfallen. Der Pferdemensch hätte Urlaub, und die naturnah gehaltenen Pferde wären glücklich, zufrieden und gesund.
Pferde sind doch Grasfresser! Wieso kann 24h-Weidehaltung für Pferde problematisch sein?
Was dabei gern vergessen wird: Wildpferde hatten unbegrenzte Flächen zur Verfügung. Es gab keine Zäune. Wenn stechende Insekten zur Plage wurden, konnten sie sich in schattige Wälder zurückziehen oder in höhere Lagen weiterwandern. Sie konnten weiterziehen, wenn ein Areal abgegrast und verkotet war. Sie ernährten sich den Großteil des Jahres von mageren Gräsern, weiters standen je nach Jahreszeit Knospen, Samen, Zweige und Wurzeln auf dem Speiseplan. Pferde sind von Natur aus also keine reinen Grasfresser.
In unserer Kulturlandschaft sind die ursprünglichen Habitate der Pferde längst verschwunden. Steppen- oder Aulandschaften mit magerem Bewuchs, sogenanntes „extensives Grünland“, finden sich vielleicht noch in Naturschutzgebieten. Statt der mageren, rohfaserreichen Steppengräser, von denen sich die freilebenden Vorfahren unserer Pferde ernährten, finden Hauspferde heute meistens satte grüne Weiden vor. Wildpferde legen auf Futtersuche am Tag 30 bis 40 km zurück, während sich Pferde auf ertragreichen Wiesen nur noch von einem Grasbüschel zu nächsten bewegen müssen.
Leistungsfähige Grassorten bestimmen moderne Weiden
Auf unseren heutigen Weiden wachsen hauptsächlich Hochleistungsgräser. Die Ansaat von bestimmten, auf Ertrag gezüchteten Grassorten soll für mehrfache Nutzung oder Dauernutzung von Weiden in einer Saison sorgen. Dazu kommt, dass Weidehaltung schon in früheren Zeiten hauptsächlich mit Rindern betrieben wurde, um die Milchleistung und den Fleischertrag zu steigern. Für Pferde war Weidehaltung maximal Stuten mit Fohlen vorbehalten und spielte sonst nur in der Jungpferdeaufzucht eine Rolle. In vielen Regionen werden auch heute noch Junghengste, beispielsweise die Lipizzaner für die Wiener Hofreitschule, auf Almweiden gebracht. Für Pferde, die zur Arbeit herangezogen wurden, stellte sich die Frage der 24h-Weide ohnehin nicht, und kaum ein Senior bekam das Gnadenbrot auf einer grünen Wiese.
Mit dem Einzug der Robustpferde in die neu aufgekommenen Offenställe der Freizeitreiter wendete sich das Blatt. Die Pferdeweide wurde zum „Must-Have“ jeder artgerechten Haltung, und so mancher erfahrene Landwirt schüttelte ungläubig den Kopf beim Anblick der zertretenen und verbissenen Wiesen.
Pferde sind aus der Sicht der Weidewirtschaft problematische Weidetiere. Sie schädigen die Grasnarbe mit ihren Hufen. Sie fressen Pflanzen, die ihnen schmecken, bis auf die Wurzeln ab und lassen andere stehen. Sie verkoten die Flächen und verschmähen den Aufwuchs auf den sogenannten Geilstellen. Auf diese Art und Weise breiten sich unerwünschte Gräser und Unkräuter schnell aus, und nach wenigen Jahren sind viele Weiden unbrauchbar geworden. Im Extremfall stehen die Pferde 24 Stunden lang bis zum Bauch im Gras und finden kein Futter mehr. Die Weidehaltung geriet bei vielen Reitern in Verruf, weil Flächen verwahrlosten und weniger robuste Pferde abmagerten und offensichtlich an Mangelerscheinungen litten.
Fruktane - für Pferde nicht immer zuträglicher Fruchtzucker der Gräser
Als probate Lösung kam spezielles Saatgut für Pferdeweiden auf den Markt, das die moderne Weiden zugleich ertragreich und trittfest machen sollte. Aber ACHTUNG: Was da in Rekordzeit an herrlich grünen Gräsern wächst, ist den Pferden nicht wirklich zuträglich. Die auf Rinderweiden bewährten zucker- und eiweißreichen Hochleistungsgräser ließen die Pferde bei freier Aufnahme verfetten. Allergien und Stoffwechselstörungen begannen häufiger aufzutreten, und Weidehaltung galt plötzlich als äußerst gefährlich für das Pferd. Hufreheschübe, die früher mit der Selbstbedienung des Pferdes in der Futterkammer in Verbindung gebracht wurden, wurden nun auf das eiweißreiche Gras zurückgeführt. Als Gegenmaßnahme stellte man die Pferde auf streichholzkurz gemähte Wiesen, auf denen sie erst recht erkrankten.
Heute weiß man, dass Fruktane – Fruchtzucker, die Gräser bei Umweltstress vermehrt speichern – für Stoffwechselstörungen wie Hufrehe verantwortlich sind. Der Stoffwechsel des Pferdes toleriert die Aufnahme von 1–3 g Fruktan am Tag. Die Fruktanwerte im Weidegras steigen besonders nach frostigen Nächten, gefolgt von sonnigen Tagen, stark an, in zuckerreichen Gräsern sogar weit über die Toleranzgrenze.
Furcht vor der Pferdeweide begründet?
Aus Furcht den Pferden zu schaden, lassen manche Pferdemenschen ihre Lieblinge gar nicht mehr auf die Weide. Horrorgeschichten über Giftpflanzen, Hufrehe und andere typische Weidekrankheiten grassieren im Netz. Ob und wie lange ein Pferd auf der Weide grasen darf, wird in Pferdeforen hitzig diskutiert. Die für Pferde normalste Sache der Welt ist zu einem großen Problem geworden, dessen Lösung sich in einem Satz zusammenfassen lässt: Ob eine 24h-Weidehaltung möglich ist, hängt von der Beschaffenheit der Weide und vom jeweiligen Pferd ab.
Warum ist die 24h-Weide nicht für alle Pferde geeignet?
Die Weidehaltung kommt den natürlichen Lebensbedingungen des Pferdes am nächsten. Der Organismus des Pferdes ist auf die Futteraufnahme in kleinen Portionen und die ständige langsame Bewegung beim Grasen eingerichtet.
Daraus lässt sich bereits schließen, dass die Vorfahren unserer Hauspferde sich bei der Futteraufnahme viel bewegen mussten und keinen gedeckten Tisch vorfanden. Das Gras wuchs ihnen zwar im Frühjahr ins Maul, spätestens zur Grasblüte gingen die Nährstoffe im wild wachsenden Weidegras rapide zurück.
Die verschiedenen Pferdetypen, die sich aus dem vor 3 Millionen Jahren lebenden kleinen Pliohippus im Lauf der Evolution in verschiedenen Regionen herausbildeten, passten sich optimal an ihre jeweilige Umgebung an.
Typ I - Urpony
Das Urpony, war in kühlen Klimazonen zu Hause. Von den Zähnen angefangen, war die Verdauung der kleinen Pferde auf hartstängelige, nährstoffarme Futterpflanzen eingestellt. In kalten Gebieten war das Anlegen von Fettreserven für den eisigen Winter überlebensnotwendig, daher fraßen sie sich in der Weidesaison eine dicke, wärmende Fettschicht an und legten dafür weite Wanderungen zurück. Ihre Nachkommen, unsere heutigen Ponys, bemühen sich nach wie vor, rechtzeitig Fettreserven für den Winter anzulegen. Sie neigen bei uneingeschränktem Weidegang zur Verfettung und in der Folge zu EMS.
Typ II - Urkaltblüter
Der Urkaltblüter, lebte in den unwirtlichen, zum Teil sumpfigen Tundra-Gebieten Nordasiens und Nordeuropas. Diese ruhigen, relativ massigen Pferde ernährten sich einen großen Teil des Jahres von hartem oder auch gefrorenem Gras. Unsere Kaltblüter, die von den Tundrenpferden abstammen, sind für ihre Leichtfuttrigkeit bekannt. Für Pferde im Ur-Tundrenpferdetyp empfiehlt sich die 24h-Weide nur, wenn das Gras bereits verblüht bzw. überständig ist. Sie reagieren besonders empfindlich auf die schnell verfügbaren Kohlehydrate im jungen Gras.
Typ III - Südliches Steppenpferd
Das „südliche Steppenpferd“, war in Nordafrika bis nach Südspanien beheimatet. Diese schnellen und ausdauernden Pferde fanden ein stark wechselndes Futterangebot vor. Im Frühjahr konnten sie sich an gehaltvollen Gräsern rund fressen, doch in der Sommerhitze verdorrte das Gras. Die Pferde mussten für ihr „Heu am Stiel“ samt Pflanzensamen weite Strecken zurücklegen, die Grasnarbe bis auf die Wurzeln verbeißen und sich von Buschwerk ernähren, um satt zu werden. Pferde, die auf diesen Typ zurückgehen, wie zum Beispiel Vollblüter oder Warmblüter, nehmen häufig schlecht zu und können reichhaltiges Futterangebot auf der Weide lange Zeit kompensieren. Anders verhält es sich bei iberischen Pferden, die ebenfalls vom Ursteppenpferd abstammen: Sie haben einen höheren Bedarf an Lignin und neigen bei uneingeschränkter guter Weide zu Verfettung, EMS oder Insulinresistenz (PSSM).
Typ IV - Uraraber
Der Uraraber, lebte ursprünglich in sehr vegetationsreichen, warmen Gebieten in Europa und Asien, und nicht, wie man meinen könnte, im Orient. Mit zunehmender Trockenheit passten sich die zierlichen Pferde an das veränderte Klima an und ernährten sich von Samen und Körnern und kargem Raufutter. Auf den Uraraber gehen alle „veredelten“ Pferderassen zurück, allen voran die arabischen Pferde. Dieser Pferdetyp kommt mit übermäßigem Futterangebot auf der Weide kurzfristig gut zurecht, braucht dazu aber den Futterausgleich mit hartem Heu oder Stroh. Bei langfristiger Überversorgung steigt die Gefahr für Hufrehe.
Pferde heute: Individuelle Ansprüche an die Weidehaltung
Durch Vermischung der unterschiedlichen Urpferde-Typen in der Pferdezucht entstanden unsere heutigen Pferderassen, die mehr oder weniger stark von einem der vier Typen geprägt sind. Kein Wunder also, dass unsere Pferde ganz individuelle Ansprüche an eine Weidehaltung stellen! Dazu kommt, dass auch wir Menschen unsere Pferde zu ganz unterschiedlichen Zwecken halten. Die Palette reicht vom Freizeitpartner bis zum Hochleistungssportler, die wiederum ganz unterschiedliche Bedürfnisse an Haltung und Fütterung haben.
Weiters befinden sich die wenigsten großen Weiden direkt vor der Stalltür. Für Pferde ist eine neue Umgebung immer mit psychischen Belastungen, also mit Stress verbunden. Sportpferde, die einen ganz anderen Tagesrhythmus gewohnt sind und „zur Erholung“ auf die Weide geschickt werden, oder alte, unflexible Pferde tun sich mit der Umstellung besonders schwer.
Wie sieht die ideale 24-Stunden-Pferdeweide aus?
Magere Wiesen in hügeligem Gelände mit einer Vielzahl von verschiedenen Gräsern und anderen Pflanzen, mit Büschen, Bäumen und Wald und vielleicht noch einem Bach mittendrin sind für Pferde am besten geeignet. Doch solche Weiden, auf denen das Pferd alles findet, was es braucht, kommen in unseren Breiten kaum noch vor. Eine Weide, auf der Pferde 24 h am Tag verbringen sollen, muss einige Ansprüche erfüllen. Pro Pferd, das am Tag mehr als 50 kg Gras aufnehmen kann, müsste man ca. 0,1 ha pro 100 kg Pferdegewicht rechnen. Ein kräftiges Warmblut mit 700 kg würde dann fast einen ¾ Hektar für sich allein benötigen!
Je größer, desto besser
Je großzügiger die Fläche bemessen ist, desto weniger fallen Trittschäden und Bodenverdichtungen durch die Hufe ins Gewicht. Ohne Weidewirtschaft geht es selbst dann nicht: Pferdeweiden brauchen Pflege. Unterm Strich bedeutet die Erhaltung einer 24-Stunden-Weide für den Pferdemenschen keine Arbeitsersparnis! Maulwurfshügel und Trittsiegel müssen im Frühjahr abgeschleppt werden. Verfilztes Gras muss „gestriegelt“ werden, um Luft für den neuen Aufwuchs zu schaffen. Kahlstellen und aufgetretener, matschiger Boden wie etwa um die Wasserstelle müssen Jahr für Jahr nachgesät werden. Wenn keine Wechselbeweidung mit Wiederkäuern möglich ist und der Pferdekot nicht regelmäßig abgesammelt werden kann, müssen die Geilstellen regelmäßig abgemäht werden.
Tipp: Wenn man beim Kotabsammeln an einigen Stellen immer ein paar Haufen liegen lässt, nutzen die Pferde diese Plätze dann oft als „Pferdeklo“, und man spart sich kilometerlange Wanderungen.
Ganz ohne Pflege geht's nicht
Unkräuter wie Disteln werden am besten vor der Blüte „geköpft“, damit sie sich nicht ausbreiten können. Giftpflanzen wie Herbstzeitlose oder Jakobs-Kreuzkraut muss man wohl oder übel händisch entfernen. Der Zaun muss kontrolliert und ausgemäht werden. Und ganz ohne Düngung kommt man nicht aus, wenn wieder nahrhaftes Gras wachsen soll. Um sicherzugehen, welche Nährstoffe dem Boden fehlen und durch Düngung ergänzt werden sollten, nimmt man am besten eine Bodenprobe von der Weide.
Zuviel Zucker und Eiweiss kann Pferden schaden
Fette Weiden, die zum Großteil aus Hochleistungsgräsern und Weißklee bestehen, sind für eine 24-h-Beweidung durch Pferde nicht geeignet. So schön die saftig-grünen Wiesen für uns auch aussehen – sie sind nicht pferdegerecht. Je jünger, grüner und blattreicher das Gras, desto mehr Zucker und Eiweiß ist darin enthalten. Manche besonders ertragreichen Grassorten sind richtige Zuckerbomben und begünstigen das Auftreten gefürchteter Weidekrankheiten. Wenn keine anderen, weniger „mastigen“ Flächen zur Verfügung stehen, dürfen die Pferde eben nur stundenweise auf die Weide und sollten die übrige Zeit mit magerem Heu und Stroh versorgt werden. Zu kurz sollte die Weidezeit aber auch nicht sein: Pferde wissen sehr schnell, wie lang zum Beispiel eine Stunde dauert und fressen in der stark begrenzten Zeit umso schneller und umso mehr! Große Probleme ergeben sich im Weidemanagement vor allem dann, wenn die Pferdegruppe bunt gemischt und vom Minishetty bis zum großen Warmblut alles an Pferdetypen vertreten ist.
Moderne Pferdeweide: Fruktanarme Gräsermischungen
Zur Nachsaat oder auch für Neuansaat von Pferdeweiden bieten manche Hersteller bereits fruktanarme Saatgutmischungen an. Niedrige Fruktangehalte haben beispielsweise die Gräserarten Rotschwingel, Wiesenfuchsschwanz und Knaulgras. Auf Magerwiesen können Pferde – natürlich nach sorgfältigem Anweiden – länger grasen. Trotzdem empfiehlt sich die regelmäßige Kontrolle des Pflanzenbestandes, da zuckerreiche Gräser sich von anderen Flächen aus ausbreiten können.
Nasse Böden oder steile Hänge nicht gut geeignet
Feuchte Böden Feuchte bis nasse Böden scheiden für Dauerbeweidung aus, da sie von den Pferden zu stark zertreten werden. Außerdem bilden sich dort gerne moosige Flächen, auf denen sich die Moosmilbe – ein Zwischenwirt für den Bandwurm – ansiedelt. Steillagen ohne ebene Flächen sind ebenfalls ungeeignet, da Gelenke und Sehnen der Pferde zu stark belastet werden.
Wie muss eine 24h-Weide eingerichtet sein?
Ohne einen schützenden Unterstand, in den sich die Pferde bei großer Hitze oder bei Regengüssen zurückziehen oder vor stechenden Insekten flüchten können, kann die Weidehaltung zur Qual werden. Viele schwere Weideunfälle sind auf panisches Davonrennen vor den Plagegeistern zurückzuführen, und manche Pferde lassen sich auf der Flucht vor stechenden Insekten auch durch Zäune nicht aufhalten!
Gewarteter Unterstand für alle Pferde
Regen stört die meisten Pferde im Sommer nicht wirklich. Die Kombination von Regen und Wind kann aber an kühleren Tagen sehr unangenehm werden. Der Unterstand sollte daher auf mindestens zwei Seiten, auf jeden Fall zur Hauptwindrichtung hin, geschlossen sein. Streifenvorhänge halten lästige Insekten ab. Die Rückzugsmöglichkeit muss so groß sein, dass alle Pferde darin Platz finden, und so angelegt sein, dass die „Chefetage“ den Eingang nicht blockieren kann. Der Boden im Unterstand muss befestigt sein und regelmäßig abgemistet werden. Durch die Bodenverdichtung sowie durch Kot und Urin bildet sich sonst schnell eine unappetitliche Matschfläche, durch diese massive Keimbelastung können Huferkrankungen auftreten. Außerdem legen sich Pferde lieber auf trockenen Böden hin.
Ausreichende Tränke für alle Pferde
Für die dauernde Weidehaltung ist eine jederzeit zugängliche Tränkemöglichkeit Voraussetzung. Solange das Weidegras noch viel Wasser enthält, trinken die Pferde auf der Weide sehr wenig, je älter das Weidegras wird, desto höher wird der Wasserbedarf. Bei heißen Temperaturen kann die Wasseraufnahme auf der Weide auf ca. 1,8 l / Stunde steigen! Die Tränke muss so gestaltet sein, dass sie auch für mehrere Pferde genügend Wasser liefert, permanent funktioniert und sauber bleibt. Tränkeeimer oder Maurerwannen sind auf der 24h-Weide keine Alternative! Wasserwägen oder 1000-Liter-Container müssen gut isoliert werden, damit sich das Wasser im Sommer nicht erhitzt und in der Wärme kippt.
Artgerechte Umzäunung für Pferde
Die Umzäunung ist ein ganz wichtiges Kapitel in der Freilandhaltung von Pferden. Der Zaun muss so gut sichtbar sein, dass auch sehr lauflustige Pferde noch rechtzeitig bremsen können. Andererseits muss die Umzäunung abschreckend auf Pferde wirken, damit kein noch so genäschiges Pony auf die Idee kommt, dem Kleefeld vom Nachbarn einen Besuch abzustatten. Deutlich sichtbare Elektrozäune sind eine gute Lösung, um Pferde sicher auf der Weide zu halten. Die Zäune müssen regelmäßig kontrolliert werden. Blanke Drähte sowie Wild- und Schafzäune sind ungeeignet, sie bergen eine hohe Verletzungsgefahr. Stacheldraht ist tierschutzwidrig!
Tipp: Wenn du dich dafür entscheidest, dein Pferd auf eine Sommerweide zu stellen, erkundige dich vorab nach der Art der Umzäunung. So kannst du dir böse Überraschungen ersparen!
Kann ein Pferd von der 24h-Weide allein leben?
Bei der Fütterung von Heu und Kraftfutter lassen sich ziemlich genaue Aussagen darüber treffen, welche Rationen ein bestimmtes Pferd bei welcher Leistung braucht und wie diese zusammengesetzt sein sollen. Heu oder ein Heu-Stroh-Gemisch sollte den Pferden auch auf der Weide zur Verfügung stehen, um die Rohfaserversorgung und die Versorgung mit Trockensubstanz sicherzustellen.
Damit das Futter nicht verdirbt, wird es am besten im überdachten Bereich oder in einer überdachten Raufe angeboten. Für leichtfuttrige Pferde kann man einfach einen ganzen Ballen Stroh in die Raufe stellen, an dem sie bei Bedarf knabbern können. Trotzdem bleibt die Rationsberechnung bei der Weidehaltung zwangsläufig ungenau. Zwar lässt sich ungefähr abschätzen, wie der Bewuchs zusammengesetzt ist, doch man kann nie genau wissen, wie viel Weidegras das Pferd wirklich in 24 Stunden aufnimmt.
In den Aufwuchsperioden schwankt der Gehalt an Inhaltsstoffen im Gras sehr stark, deren Menge hängt nicht zuletzt vom Wetter, von den Temperaturen und vom Niederschlag ab. Man kann sich also nicht darauf verlassen, dass im Weidegras alle Vitamine, Mineralien und Spurenelemente zur Verfügung stehen, die das Pferd braucht. Weidegras enthält zwar ausreichend Vitamin A bzw. die Vorstufe Betacarotin, doch mit zunehmender Verholzung der Stängel geht der Gehalt zurück. Der Vitamin-E-Gehalt des Weidefutters ist regional unterschiedlich, auch hier kann eine Unterversorgung eintreten. Je nach Bodenbeschaffenheit kann es außerdem zu Mängeln an wichtigen Nährstoffen wie Kalzium, Natrium, Magnesium, Zink und Selen kommen. Ein Mangel an diesen Stoffen führt langfristig zur Schwächung des Immunsystems und tritt oft erst nach der Weidesaison zutage. Weidepferde müssen mit einem guten, ausgleichenden Mineralfutter versorgt werden und einen Salzleckstein zur Verfügung haben!
Besonders bei Jungpferden ist bei Weidehaltung auf die ausreichende Zufuhr von Kalzium zu achten. Kalziummangel führt bei noch wachsenden Pferden zu Knochenauftreibungen und -entzündungen und in der Folge zu Lahmheiten!
Pferde, die gar nicht oder nur wenig geritten werden, können sich über die Sommermonate von Weidegras allein ernähren, wenn ein gutes Mineralstofffutter zugefüttert wird. Der Eiweißbedarf der Pferde ist auf der Weide – außer bei stark überständigem Gras – mit Sicherheit gedeckt. Der Energiegehalt des Futters kann allerdings ab dem Sommer nicht mehr ausreichend sein, daher sollte man den Futterzustand der Pferde im Auge behalten. Wenn der Nährwert der Weide sinkt, muss Heu – bei arbeitenden Pferden auch Kraftfutter – zugefüttert werden.
Alten Pferden tut die Weidehaltung besonders gut. Solange die Schneidezähne noch intakt sind und der Oldie keine körperlichen Gebrechen hat, gibt es keine Probleme mit der Futteraufnahme. Ohne Zufütterung kommen aber nur gut genährte alte Pferde aus. Den Senioren sollte Heu zur freien Entnahme angeboten werden und nach Bedarf auch Kraftfutter. Alte Pferde haben einen höheren Mineralstoffbedarf!
Tipp: Wenn du dein Weidepferd zufüttern musst, achte auf Futtermittel mit niedrigem Eiweißgehalt, um Stoffwechselüberlastungen vorzubeugen. Du kannst den Energiegehalt des Futters mit Futterölen wie zum Beispiel Leinöl erhöhen.
Für welche Pferde ist die 24h-Weidehaltung nicht möglich?
Stoffwechselerkrankungen und Übergewicht
Für Pferde mit vorliegenden Stoffwechselerkrankungen wie EMS oder PSSM sowie für übergewichtige Pferde ist die 24h-Weidehaltung grundsätzlich nicht geeignet. Auch Pferde, die bereits an Hufrehe erkrankt waren, sollten nur stundenweise auf einer überständigen Wiese oder auf portionierten Weiden grasen dürfen und zusätzlich mit magerem Heu und Stroh gefüttert werden. Hufrehe entsteht durch Giftstoffe, die sich beim Abbau von hohen Fruktanmengen im Dickdarm bilden. Dabei kommt es zur Übersäuerung des Darmmilieus und zum Absterben nützlicher Darmbakterien. Die dadurch freigesetzten Giftstoffe gelangen über die Darmwand in die Blutbahn und in der Folge in die Hufe des Pferdes. Pferde mit Hufreherisiko grasen am sichersten am Nachmittag, wenn der Fruktangehalt im Gras am niedrigsten ist.
Achtung: Die Fütterung von Hefen, effektiven Mikroorganismen oder Milchsäurebakterien ist bei einem Ungleichgewicht der Darmflora kontraproduktiv und schadet dem Pferd!
Tipp: Kräuter, die Bitterstoffe enthalten, haben positive Wirkung auf die Gallensekretion und regen die Darmmotorik an. Dadurch werden Fäulnisprozesse im Darm gehemmt, und die Darmschleimhaut wird gestärkt. Bitterstoffe sind unter anderem in Schafgarbe, Eichenrinde, Wermut und Löwenzahnwurzel enthalten.
Ponys neigen auf guten Weiden sehr schnell zur Verfettung und in der Folge zu Stoffwechselstörungen. Für die „Kleinen“ ist es besser, die Weiden mittels Elektrozaun zu portionieren oder sie nur stundenweise auf die Weide zu lassen.
Allergien und Ekzeme
Pferde mit Allergien und/oder Sommerekzem können nur bei günstigen Bedingungen auf der Weide gehalten werden. Zucker- und eiweißhaltiges Weidegras kann die Symptome verschlimmern. Zu den Anflugszeiten der Gnitzen und Kriebelmücken, welche das Sommerekzem auslösen, brauchen die von Juckreiz geplagten Pferde unbedingt eine Rückzugsmöglichkeit und sind dankbar für einen gemauerten, dunklen Stall, in dem sie Ruhe vor den Insekten finden und ungestört Heu fressen können. Manche Ekzempferde stehen unter Dauerstress und reagieren geradezu panisch auf jede Art von stechenden Insekten! Insektenfallen sind auf sehr großen Flächen nicht wirklich wirksam, und auch die besten Repellents wirken nur wenige Stunden.
Tipp: Mit rechtzeitiger Stärkung des Immunsystems durch Kräuter wie Echinacea und Hagebutte sind empfindliche Pferde für die Weidesaison besser gerüstet. Außerdem sind allergische Pferde häufig von Entgiftungsstörungen betroffen, die zu einer erhöhten Histaminausschüttung führen. Möglicherweise lösen diese Histamine in der Haut, aber auch in den Atemwegen allergische Reaktionen aus. Du kannst dein allergisches Pferd in Form von Kuren mit Kräutern unterstützen, welche die entgiftenden Organe Leber und Niere stärken und den Stoffwechsel aktivieren. Bewährt haben sich dabei Mariendistel, Brennnessel, Löwenzahn und Birkenblätter.
Sportliche Pferde
Für Pferde, die viel geritten oder gefahren werden, ist die dauernde Weidehaltung nicht empfehlenswert. Mit dem voluminösen Futter auf der Weide entwickelt sich schnell ein unförmiger Weidebauch, der bei sportlichen Aktivitäten stört und die Atmung behindert, und durch das wasserreiche Gras neigen die Pferde schneller zum Schwitzen. Doch auch Sportpferde sollten sich stundenweise auf der Weide erholen können!
Tipp: Den Nährstoffverlust durch starkes Schwitzen kannst du mit Elektrolyten ausgleichen. Wenn du die Weidezeit reduzierst, sollte das Pferd dementsprechend mehr Heu bekommen!
Achtung: Der birnenförmige Weidebauch, der durch die Aufnahme von großen Mengen Weidegras entsteht, kann ein Hinweis darauf sein, dass es dem Gras an Inhaltsstoffen fehlt. Das Pferd versucht dann den Mangel durch eine höhere Futteraufnahme auszugleichen.
Psychischer Stress
Nicht zu vergessen sind diejenigen Pferde, für welche Weidehaltung psychischen Stress bedeutet. Ein Pferd, das Boxen- und Paddockhaltung gewohnt ist, fühlt sich auf einer unbekannten Weide nicht automatisch wohl. Die Umstellung ähnelt vielmehr einem Stallwechsel! Wird auch noch die Weidegruppe neu zusammengestellt, steigt der Stresspegel gewaltig an. Nicht wenige Stallpferde marschieren bei der Umstellung auf Weidehaltung stundenlang unruhig am Weidetor auf und ab und möchten nach Hause! Für diese Pferde sinkt der Erholungsfaktor gegen null. Wenn sich ihr Unbehagen auch nach geduldiger Eingewöhnung nicht bessert, sollte man besser auf die 24h-Weide verzichten.
Tipp: Wenn dein Pferd generell Probleme mit neuen Umgebungen hat, kannst du ihm die Umstellung auf die Weide mit beruhigenden und nervenstärkenden Kräutern erleichtern. Baldrian, Melisse und Hopfen bringen Erleichterung bei Angst, Nervosität und Spannungszuständen und können deinem Pferd dabei helfen, seine Weide zu genießen!
Quellen und weiterführende Literatur
- Coenen, M., & Vervuert, I. (2020). Pferdefütterung (6. Ausg.). Stuttgart: Georg Theme Verlag KG.
- Fritz, C. (2002). Pferde fit füttern. München.
- Fritz, C., & Maleh, S. (2016). Zivilisationskrankheiten des Pferdes. Thieme.
- Schäfer, M. (2007). Handbuch Pferdebeurteilung (2. Ausg.). Stuttgart: Franck-Kosmos.
- Vanselow, R. U. (2005). Pferdweide - Weidelandschaft. Hohenwarsleben: Westarp Wissenschaften-Verlagsgesellschaft.
- von Grone, J. (1997). Die Pferdeweide. Cham: Müller Rüschlikon.