Mariendistel
Die Mariendistel (Silybum marianum) wird auch Frauendistel, Heilandsdistel, Fieberdistel oder Christi Krone genannt. Die botanische Bezeichnung „Silybum“ bezieht sich auf die Blütenform der Pflanze, das Art-Epitheton „marianum“ bezieht sich auf die Heilige Gottesmutter Maria. Dieser namentliche Bezug ist auf eine christliche Legende zurückzuführen. Demnach soll die Gottesmutter Maria mit dem Jesuskind unter der Mariendistel Schutz gesucht haben, um dort ihr Kind zu stillen. Dabei sollen ein paar Tropfen der Muttermilch auf die Blätter der Mariendistel gefallen sein. Seither weist sie als einziger Vertreter der Disteln eine markante, weiße Marmorierung der Blätter auf. Im englischen Sprachgebrauch wird die Mariendistel, bezugnehmend auf diese Legende, auch „Milk thistle“ genannt. Als Heilpflanze ist sie bereits seit der Antike bekannt. Nun wurde die Mariendistel von der Herbal Medicinal Products Platform Austria (HMPPA) zur österreichischen Arzneipflanze des Jahres 2021 gekürt.
Wo kommt die Mariendistel her, und wie sieht sie aus?
Ursprünglich ist die Mariendistel in Vorderasien, Nordafrika und Südeuropa beheimatet. Sie bevorzugt warme, sonnige und trockene Standorte. In Mitteleuropa ist sie vereinzelt auch verwildert anzutreffen. Häufig findet man sie an Ruderalstandorten wie an Schutthalden, Wegrändern oder auf Viehweiden. Bei Wildsammlung sollte man jedoch beachten, dass die Pflanze in Teilen Österreichs und der Schweiz als „gefährdet“ gilt. Für den medizinischen Gebrauch wird die Mariendistel großflächig in Österreich, Ungarn und Deutschland, aber auch in Südamerika, speziell in Argentinien und Venezuela sowie in China angebaut. Die ein- bis zweijährige Pflanze kann eine Wuchshöhe von bis zu 150 cm erreichen. Dabei bildet sich im ersten Jahr eine Blattrosette, welche je nach Standort einen Durchmesser von über einem Meter erreichen kann. Die grundständigen Laubblätter werden 20 bis 50 cm lang und sind elliptisch, fiederspaltig und gestielt mit einer glänzenden Oberfläche. Arttypisch ist die grüne Farbe mit der weißen Marmorierung. Die Blattränder sind mit bis zu 8 mm langen Dornen besetzt.
Im zweiten Jahr bildet sich ein kahler, aufrechter, meist verzweigter Stängel. Die kleinen Stängelblätter wachsen stängelumfassend und enden mit einer stechenden Dornenspitze. Zur Blütezeit ab Juni bis September bildet die Mariendistel purpurfarbene Korbblüten, welche im weiteren Sinne an Quasten erinnern und ihr die botanische Bezeichnung „Silybum“ einbrachten. Die Blütenkörbe werden 4 bis 5 cm groß und sind von dornigen Hüllenblättern umschlossen. Vor dem Öffnen können die Blütenköpfchen auch ähnlich der Artischocke gekocht und gegessen werden. Auf diese Weise zubereitet diente die Mariendistel früher als Wintergemüse wie auch als stoffwechselanregendes Frühjahrstonikum. Die purpurfarbenen Röhrenblüten der Blütenkrone werden hauptsächlich von Bienen, Hummeln und Schmetterlingen bestäubt. Aus ihnen bilden sich die 4 bis 8 cm großen Achänenfrüchte, welche für Mensch und Tier medizinisch relevant sind. Ab August tritt die Fruchtreife ein. Die reifen Pflanzen werden zuerst geschwadet, also geschnitten und reihenförmig abgelegt. Anschließend werden die Früchte mittels Mähdreschern geerntet und danach gereinigt.
Wie wird die Mariendistel verwendet?
Die Früchte der Mariendistel sind als traditionelles pflanzliches Arzneimittel anerkannt. Vom Herbal Medicinal Product Committee (HMPC) wird eine innere Anwendung zur symptomatischen Behandlung von Verdauungsbeschwerden wie Völlegefühl, Blähungen und Flatulenz sowie zur Unterstützung der Leberfunktionen empfohlen. Die ESCOP (European Scientific Cooperative on Phytotherapy) empfiehlt eine Anwendung der Mariendistelfrüchte bei toxischen Leberschäden und zur unterstützenden Behandlung bei chronisch-entzündlichen Lebererkrankungen und Leberzirrhose. Auch von der Kommission E (Sachverständigenkommission für pflanzliche Arzneimittel) liegt eine positive Bewertung der Mariendistelfrüchte vor. Die Anwendung von Mariendistelkraut erhielt allerdings eine Negativbewertung, da hier die Wirksamkeit nicht medizinisch belegt werden konnte. Volksmedizinisch werden jedoch sowohl die Früchte wie auch das Mariendistelkraut verwendet.
Bereits in der Antike war die Mariendistel dem griechischen Arzt und Gelehrten Dioskurides als Heilpflanze bekannt. Eine Anwendung erfolge gegen Schlangenbisse, als gallentreibendes Mittel sowie als Brechmittel. In der mittelalterlichen Heilkunde erwähnte die Äbtissin Hildegard von Bingen die Mariendistel als „Vehedistel“ in der Physica zur Anwendung gegen „Seitenstechen“. Eine ähnliche Heilindikation finden wir bei Paracelsus, der die Mariendistel gegen „inwendiges Stechen“ empfiehlt. Heute geht man davon aus, dass damit innere Entzündungen des Rippenfells bezeichnet wurden. Im „Gart der Gesundheit“, einem der ersten gedruckten Kräuterbücher in deutscher Sprache, wird die Wurzel der Mariendistel als Heilmittel gegen Vergiftungen genannt. Ebenso als Diuretikum sowie als Brechmittel wurde die dicke Pfahlwurzel verwendet. Die Heilwirkung der Früchte wurde erst relativ spät, unter anderem vom bekannten Landarzt Johann Gottfried Rademacher (1772 – 1850) beschrieben. Als „Rademachers Tinktur“ verwendete er sie zur Behandlung von chronischen Leber- und Milzleiden, Hepatitis, Ikterus und Gallensteinkoliken. Heute sind die leberschützenden und antiproliferativen Effekte der Mariendistel durch diverse wissenschaftliche Studien umfangreich belegt und bestätigt. Des Weiteren werden ihr antioxidative, antifibrotische, gallentreibende und entzündungshemmende Eigenschaften zugesprochen. Als Antidot werden Präparate der Mariendistel sogar zur Behandlung von Pilzvergiftungen mit dem tödlich giftigen Knollenblätterpilz erfolgreich angewendet. Seit einigen Jahren wird der Hauptwirkstoff der Mariendistel als neue, nicht-invasive Behandlung von Morbus Cushing erforscht.
Nebenwirkungen sind bei einer Anwendung der Mariendistel selten zu beobachten. Bei empfindlichen Personen können Mariendistelpräparate leicht abführend wirken. Auch Überempfindlichkeitsreaktionen wurden gelegentlich beobachtet. Wer allergisch auf Korbblütler reagiert sollte die Mariendistel jedoch meiden. Für eine Anwendung bei Kindern, Schwangeren oder stillenden Personen liegen aufgrund fehlender Daten aktuell keine Empfehlungen vor. In toxikologischen Untersuchungen an Tieren zeigte sich eine Anwendung der Mariendistel auch in hohen Dosen als unproblematisch.
Welche Wirkstoffe sind in der Mariendistel enthalten?
Zu den bedeutendsten Wirkstoffen der Mariendistel zählt ein Wirkstoffkomplex der als „Silymarin“ bezeichnet wird. Dieses Gemisch aus Flavononolderivaten ist hauptsächlich für die leberschützende und entgiftende Wirksamkeit der Mariendistel verantwortlich. Die Hauptwirksubstanz „Silybin“ und deren Isomere haben eine besondere hapatoprotektive und antiproliferative Wirksamkeit. So werden die Leberzellmembranen stabilisiert und die Leberzellregeneration beschleunigt. Des Weiteren fungiert Silybin als Radikalfänger und weist somit eine antioxidative Wirksamkeit auf. Die antiproliferativen und chemopräventiven Effekte von Silibinin werden aktuell auch umfangreich in der Krebsforschung behandelt. In zahlreichen Studien wurde ein tumorhemmendes Potential der Mariendistel beobachtet. Eingehende Beobachtungen legen nahe, dass Silybin ein nützliches Mittel für die Intervention von hormonresistentem menschlichem Prostatakrebs sein könnte. Auch bei anderen induzierten Tumorgenesen wie Hautkrebs oder Brustkrebs wurde eine protektive Wirksamkeit beobachtet.
Im europäischen Arzneibuch ist der Mindestgehalt an Silymarin im Pflanzenmaterial mit 1,5% bis zu 3% definiert. In Trockenextrakten der gereinigten Mariendistelfrüchte kann ein Wirkstoffgehalt von bis zu 65% verfügbar sein. Da der Silymarin-Komplex kaum wasserlöslich ist, ist die Anwendung eines Trockenextrakts einer Teezubereitung vorzuziehen. Eine gute Löslichkeit wurde in Alkohol und anderen organischen Lösungsmitteln wie Aceton oder Essigester beobachtet. Neben dem Trockenextrakt ist auch teilweise ein Dekokt der zerkleinerten Früchte gebräuchlich.
Weitere Inhaltsstoffe der Mariendistel sind sekundäre Pflanzenstoffe wie Flavone, Triterpene, Bitterstoffe, Gerbstoffe und fettes Öl. Flavone sind wasserlösliche gelbe Pflanzenfarbstoffe die häufig zusammen mit Anthocyanen auftreten. Auch die Stoffklasse der Terpene wird als pharmakologisch interessant angesehen. Neben einer antimikrobiellen Wirksamkeit wurden in Studien antitumoröse und entzündungshemmende Eigenschaften beobachtet. Die verdauungsfördernde und anregende Wirksamkeit der Bitterstoffe ist ebenso weitgehend bekannt wie die zusammenziehende und antimikrobielle Wirkung der Gerbstoffe. Das enthaltene fette Öl weist einen hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren wie Linolsäure, Ölsäure und Arachidonsäure auf. Des Weiteren ist der Gehalt an Tocopherolen und Sterolen nennenswert.
Die Mariendistel in der Tiergesundheit
Wie beim Menschen wird die Mariendistel auch beim Tier zur wirksamen Therapie zahlreicher Leberschädigungen eingesetzt. Der therapeutische Wirkungsmechanismus beruht hier auf denselben leberschützenden und regenerativen Eigenschaften. So werden Zubereitungen aus Mariendistelfrüchten zur unterstützenden Behandlung chronischer Lebererkrankungen, bei toxischen Leberschäden, bei Verdauungsbeschwerden und bei Störungen des ableitenden Gallensystems eingesetzt. Eine Anwendung ist sowohl bei Rindern, Pferden, Schweinen, Schafen, Ziegen sowie bei Kleintieren und Geflügel möglich. Die Anwendung der Früchte erfolgt direkt als Futtermittel, oder in Form von Extrakten und Fertigpräparten. Für Kleintiere beträgt die Dosierung 3-mal täglich 50 bis 100 mg/kg getrocknetes Pulver. Für Rinder und Pferde wird eine tägliche Menge von ca. 70 g Mariendistel pro 500 kg Körpergewicht empfohlen. Auch als Ergänzungsfuttermittel zur Unterstützung der Leberfunktionen von Hunden und Katzen ist die Mariendistel erhältlich. Nebenwirkungen sind kaum zu befürchten. Eine Überempfindlichkeit gegen Korbblütler kann natürlich nie ausgeschlossen werden.
Quellen
- https://arzneipflanzenlexikon.info/mariendistel.php
- https://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Mariendistel
- https://de.wikipedia.org/wiki/Mariendistel
- Heilpflanzenkunde für die Veterinärpraxis (Springer ISBN 978-3-662-48794-5)
- Wichtl Teedrogen und Phytopharmaka (ISBN 978-3-8047-3521-7)
- Pharmakognosie und Phytopharmazie (Hänsel/Sticher: ISBN: 978-3-642-00962-4)
- https://www.hmppa.at/wp-content/uploads/2021/01/Pressemappe_Arzneipflanze_2021_final.pdf
- https://www.hmppa.at/wp-content/uploads/2021/02/OEAZ_0321_Mariendistel.pdf
- https://www.karger.com/Article/Pdf/441343
Studien
- Silibinin decreases prostate-specific antigen with cell growth inhibition via G1 arrest, leading to differentiation of prostate carcinoma cells: implications for prostate cancer intervention. 1999 Jun 22;96(13):7490-5. doi: 10.1073/pnas.96.13.7490.
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/10377442/
- Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen (Christian Rätsch)
- Heilpflanzenkunde für die Veterinärpraxis (Springer ISBN 978-3-662-48794-5)
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